Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die (jetzt ausgezählten) 35,05% wirklich wissen, wem sie da ihre Stimme gegeben haben.
Norbert Hofer tritt für die FPÖ an. Dadurch lässt sich feststellen, dass er sich zu deren Parteiprogramm bekennt (er hat die aktuelle Version ja immerhin mitverfasst) und, im weiteren Sinne, auch zu allen Aussagen, die aus den höchsten Reihen dieser Partei stammen und von der Parteispitze (Hofer inkludiert, er ist stellvertretender Vorsitzender) toleriert und verteidigt werden.
Sein zustellungsbevollmächtigter Vertreter bei dieser Wahl (und aktueller Parteiobmann der FPÖ) ist Heinz-Christian Strache, dem, so das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW), aufgrund eines Gerichtsurteils des Oberlandesgerichts Wien vom November 2004 „eine Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut“ vorgeworfen werden darf. Ebenso darf er, laut richterlichem Beschluss, als “Volkshetzer” bezeichnet werden.[1]
Gegründet wurde die FPÖ 1955, zum ersten Parteiobmann wurde Anton Reinthaller gewählt, einem ehemaligen SS-Brigadeführer, der von 1950 bis 1953 wegen nationalsozialistischer Betätigung als Schwerstbelasteter inhaftiert war. Reinthaller, der der NSDAP schon vor dem Anschluss Österreichs beigetreten war, 1938 die Funktion des NS-Landwirtschaftsministers im Anschlusskabinett Seyß-Inquart bekleidete und anschließend bis 1945 Reichstagsabgeordneter war, erklärte in seiner Antrittsrede: „Der nationale Gedanke bedeutet in seinem Wesen nichts anders als das Bekenntnis der Zugehörigkeit zum deutschen Volk.“[2]
Aber erst durch Jörg Haider konnte die Partei ihre Wählerschaft ausbauen, die bis dahin mehrheitlich aus dem eindeutig deutsch-nationalen Umfeld der Burschenschaften stammte. Durch Haiders Populismus konnten vor allem im Arbeitermilieu Stimmen geworben werden.
Norbert Hofer ist seit 1994 bei dieser Partei. Damals war Haider schon acht Jahre Obmann und hatte sich und die Partei zu diesem Zeitpunkt schon klar positioniert, wie eine Vielzahl an öffentlichen Aussagen belegen.
„Na, das hat’s im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt. Das muss man auch einmal sagen.“
(Jörg Haider, Rede vor dem Kärntner Landtag, 13. Juni 1991. zitiert nach Czernin 2000, S.31)
„Das wissen Sie ja so gut wie ich, dass die österreichische Nation eine Missgeburt gewesen ist, eine ideologische Missgeburt.“
(Jörg Haider, ORF-Inlandsreport, 18.8.1988)
Auch in den Jahren nach Hofers Eintritt haben ihn keine Aussagen der Parteispitze von seinem Weg abgebracht.
„Die Waffen-SS war Teil der Wehrmacht und es kommt ihr daher alle Ehre und Anerkennung zu.“
(Jörg Haider im ORF, 19. Dezember 1995. zitiert nach Czernin 2000, S.48)
Bei der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“ zweifelt Gudenus die Existenz von NS-Gaskammern an: „Gaskammern? Ich halte mich da raus! Ich glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist.“
(John Gudenus, damaliger FPÖ-Bundesrat, 17.10.1995)
John Gudenus ist übrigens verurteilter Holocaust Leugner und regelmäßiger Gast beim Wiener Akademikerball (früher WKR-Ball), an dem auch Hofer schon teilgenommen hat. Weiters ist Gudenus’ Sohn, Johann Gudenus, aktueller Wiener Vize-Bürgermeister, Stellvertretender Vorsitzender der FPÖ und deren Sicherheitssprecher.[3], [4]
Einen persönlichen Zugang zur deutsch-nationalen Szene hat Hofer aber auch, nämlich als Burschenschafter der pennal conservativen Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld.
“In der Einleitung der Festschrift wird festgehalten, dass die Marko-Germanen „[a]ls geschichtsbewusste Österreicher […] keine Berührungsängste mit dem Begriff ‚deutsch'“ kennen. „Hier ist der Mut erforderlich, zur rechten Zeit unzeitgemäß zu sein.“ (vgl. Marko-Germania 1994, S. 13) An anderer Stelle wird von Rücker die „ausdrückliche Verpflichtung jedes Burschenschafters“ beschworen, „sich für die freie Entfaltung des deutschen Volkstums ein[zu]setzen und dabei alle Teile des deutschen Volkes [zu] berücksichtigen. Unbeschadet ihres Bekenntnisses zum selbständigen Staat Österreich sieht die Burschenschaft das deutsche Vaterland unabhängig von bestehenden staatlichen Grenzen“ (ebenda, S. 33). Konsequenterweise „lehnt die Burschenschaft die geschichtswidrige Fiktion einer ‚österreichischen Nation‘ ab“, die „[s]eit 1945 […] in den Gehirnen der Österreicher festgepflanzt“ worden sei (ebenda, S. 34 bzw. Walter Wiltschegg, ebenda, S. 48).”[5]
Hofer bekam von dieser Vereinigung die Ehrenmitgliedschaft verliehen, an der er auch in diesem Wahlkampf festhält.[6]
Die erwähnte “geschichtswidrige Fiktion einer ‘österreichischen Nation’ “ lässt sich übrigens auch ganz gut mit den Ansichten der FPÖ vereinen, obwohl das dort natürlich nicht so ausgedrückt wird.
“Sprache, Geschichte und Kultur Österreichs sind deutsch. Die überwiegende Mehrheit der Österreicher ist Teil der deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft.”
(FPÖ Parteiprogramm, “Heimat, Identität und Umwelt”)
Seit Oktober 2013 ist Hofer auch Dritter Nationalratspräsident. Bei seiner Wahl trugen alle freiheitlichen Abgeordneten eine blaue Kornblume am Revers – jenes Symbol, das ab 1933 Erkennungszeichen der illegalen Nationalsozialisten war.[7]
Zusätzlich bekennt sich Hofer, entweder durch eigene Aussagen oder durch Zustimmung zum von ihm mitverfassten Parteiprogramm, zur Diskriminierung von Homosexuellen und gegen eine körperliche Selbstbestimmung der Frau, was Abtreibungen anbelangt.
“Wir bekennen uns zur Vorrangstellung der Ehe zwischen Mann und Frau als besondere Form des Schutzes des Kindeswohls. Nur die Partnerschaft von Mann und Frau ermöglicht unserer Gesellschaft Kinderreichtum. Ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Beziehungen lehnen wir ab.”
(FPÖ Parteiprogramm, Familie und Generationen)
“…dass die öffentliche Hand für rechtswidrige Handlungen Ressourcen wie z.B Spitäler zur Verfügung stellt.” [Der Schwangerschaftsabbruch sei zwar innerhalb der ersten drei Monate straffrei, gemäß Strafgesetz aber immer noch rechtswidrig, argumentierte die FPÖ.]
(Parlamentarischer Antrag der FPÖ, 2008; gestellt von Norbert Hofer, Barbara Rosenkranz & Herbert Kickl)[8]
Was aufgrund der groß angelegten Werbekampagnen der FPÖ, in denen sich die Partei als Freund des heimatliebenden Durchschnittsbürgertums zeigt, etwas untergeht, ist ihre tatsächliche Einstellung gegenüber dem “einfachen Volk”, wie durch den politischen Einsatz im Parlament und anderen Regierungsbeteiligungen deutlich wird. Norbert Hofer ist seit 2006 Abgeordneter im Nationalrat, und war somit an einer Vielzahl dieser Abstimmungen persönlich beteiligt (es geht hier trotzdem vorrangig um die FPÖ an sich).
Dazu einige Beispiele aus einem Text von Adi Hirschal:
Stimmverhalten der FPÖ im Parlament[9]
Die FPÖ stellt sich gerne als “Partei des kleinen Mannes” dar – für Frauen hat sie ohnehin weniger übrig. Misst man sie allerdings an ihren Taten und am konkreten Stimmverhalten im Parlament, ergibt sich ein ganz anderes Bild: nämlich das Bild einer Partei, der die Interessen der Banken, der Millionäre und der Wohnungsmakler wichtiger sind als die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher. Wäre die FPÖ in der Regierung, gäbe es keine Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, keinen Ausbau des Pflegefonds, keine Begrenzung von Steuerprivilegien für Manager und keinen Beitrag der Banken zur Krisenrettung.
Die FPÖ stimmte GEGEN:
Pflegegeld/Pflegefonds
Am 11. Dezember 2014 stimmte die FPÖ gegen die Erhöhung des Pflegegeldes ab dem Jahr 2016. Einem Ausbau des Pflegefonds, mit dem mobile, stationäre und teilstationäre Dienste weiter ausgebaut werden, stimmte die FPÖ am 4. Juli 2013 als einzige Partei nicht zu. Schon bei der Einführung am 8. Juli 2011 stimmte die FPÖ dagegen.
Mindestsicherung
Die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Armutsbekämpfung war ein sozialpolitischer Meilenstein. Die FPÖ stimmte dagegen. (7. Juli 2010)
Unterstützung beim Job-Wiedereinstieg
Gegen eine Erhöhung der Mittel zur Unterstützung für den Wiedereinstieg älterer arbeitsuchender Menschen in der Höhe von 350 Millionen Euro bis zum Jahr 2016 votierte die FPÖ am 27. März 2014.
Paket gegen Lohn- und Sozialdumping
Am 20. November 2014 wollte die FPÖ ein Gesetz verhindern, das Lohn- und Sozialdumping stärker bekämpft, etwa durch die Anhebung von Strafen und eine automatische Information bei Unterentlohnung.
Kampagne gegen Frauendiskriminierung
Die FPÖ befindet es nicht für wert, die Kampagne “He for She” der UNO zu unterstützen, die Männer dazu auffordert, gemeinsam aktiv für Gleichberechtigung zu kämpfen. Einen dementsprechenden Entschließungsantrag am 21. Mai 2015 unterstützte die FPÖ nicht.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Die FPÖ stimmte am 9. Juni 2015 im EU-Parlament gegen den Bericht über die EU-Gleichstellungsstrategie 2016-2020. Dieser fordert unter anderem die Verringerung des Lohngefälles zwischen Frau und Mann.
Töchter in der Bundeshymne
Am 22. November 2011 einigte sich der Verfassungsausschuss darauf, in der Bundeshymne nach jahrelangen Debatten neben den großen Söhnen auch die großen Töchter zu würdigen. Die FPÖ wehrte sich vehement dagegen.
Überbrückungsgeld für Bauarbeiter
Gegen die Möglichkeit für Bauarbeiter, vor Antritt einer Pension Überbrückungsgeld zu beziehen, um eine Schwerarbeitspension zu erhalten, stellte sich die FPÖ am 10. Juli 2014.
Begrenzung von Luxuspensionen
Keine Zustimmung gab es von der FPÖ zur Begrenzung besonders hoher Sonderpensionen (“Luxuspensionen”) am 12. Juni 2014.
Streichung von Steuerprivilegien für Konzerne und Manager
In der Sitzung vom 13. Februar 2014 stimmte die FPÖ gegen eine Vielzahl von Bestimmungen, die einen gerechten Beitrag der Vermögenden zur Krisenbewältigung bringen: die Streichung von Steuerprivilegien für Konzerne (Gruppenbesteuerung), die Streichung von Steuerprivilegien für Managergehälter über 500.000 Euro und den Solidaritätsbeitrag von Menschen mit besonders hohem Einkommen.
Bankenabgabe
Mit der Erhöhung der Bankenabgabe auf 640 Millionen pro Jahr leistet der Finanzsektor seinen Beitrag zur Krisenbewältigung. Die FPÖ war am 13. Februar 2014 dagegen.
Norbert Hofer tritt nicht als unabhängiger Kandidat mit Unterstützung der FPÖ an. Er tritt für die FPÖ an. All das oben Genannte sind seine Ansichten, oder die seiner Partei, die er über die letzten 20 Jahre maßgeblich mitbestimmt hat. Zusätzlich will er das Amt des Bundespräsidenten aktiver anlegen und sich mehr Mitspracherecht an Regierungsentscheidungen sichern. Sein Parteikollege und zustellungsbevollmächtigter Vertreter HC Strache würde die Position überhaupt gerne mit der des Kanzlers vereinen, was somit eine unkontrollierte, oberste politische Macht darstellen würde.[10]
Dafür steht Norbert Hofer.
Dieser Mann steht nun als Kandidat für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten in der Stichwahl am 22. Mai 2016.
Danke an den Autor für das Recht an Zweitverwertung.
David Prokop
davidprokopblog.wordpress.com
Quellen
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitliche_Partei_%C3%96sterreichs#Anf.C3.A4nge_der_FP.C3.96
[3] http://wiev1.orf.at/stories/105061, https://twitter.com/barbaratoth/status/561266364103815168 & http://derstandard.at/2000030060340/Tanz-um-die-Hofburg-1000-Gaeste-8000-Gegner
[4] http://www.vol.at/2005/04/Zitate_von_Haider_bis_Gudenus.pdf & http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextremismus-in-oesterreich/archiv-fpoe-bis-2004/auswahl-rechtsextremer-antisemitischer-rassistischer-und-europafeindlicher-aeuszerungen-von-fpoe-spitzenpolitikerinnen-und-medien
[5] http://www.doew.at/neues/keine-beruehrungsaengste-mit-dem-begriff-deutsch#3
[6] http://www.tt.com/politik/innenpolitik/11080450-91/fp%C3%B6-hofer-f%C3%BCr-eu-austritt-bei-t%C3%BCrkei-eintritt.csp
[7] http://www.nachrichten.at/nachrichten/meinung/menschen/Norbert-Hofer-Der-freundliche-Blaue;art111731,2097280
[8] http://derstandard.at/1202375309386/Parlamentarische-Anfrage-FPOe-stellt-Fristenloesung-erneut-in-Frage
[9] https://rechtsdrall.com/2015/10/05/stimmverhalten-der-fpoe-im-parlament/
[10] http://steiermark.orf.at/news/stories/2769100/ & http://kurier.at/politik/inland/strache-will-kanzler-und-praesident-in-personalunion/172.234.895